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Statistiken der Konjunktur

Ein Hoch auf die Fertilität und Reproduktion von Kopfgeburten. Vor allem bei Männern nimmt der Kinderwunsch zu. Das findet besonders die deutsche Familienministerin gut. Plus 3400 zwischen Januar und September 2008, ein geschätztes Plus von 5100 im gesamten letzten Jahr. Wenn die Wirtschaft wankt, hat die Familie Konjunktur. Warum nicht beruflich ins Elternfach wechseln, wenn die Jobsituation kippt? Die Gesellschaft lässt angehende (wie geht man da heran?) Elternschaften nicht alleine. Der Gesellschaftskamm schwillt, wenn die sexuelle Volksproduktivität mit schwarzen Geburtenzahlen zu belegen ist. Regierungen loben sich aber gerne selbst und das familiäre Ministerium nimmt eine Fluktuation  von 5100 Plusgeburten bei einer Vorvorjahresgesamtheit 684.862 zum Anlass, die Vaterrolle präventiv zu kränzen und die Familiengründungslust bei Paaren ab 30 herrlich zu umjubeln. 0.745 % Plus! Sensationell. Da muss etwas dahinter stehen, eine Woge, ein Massentrend der unerkannt durch die Schlaf- und Wohnzimmer geistert und den ungeschützten Bereitschaftsverkehr ankurbelt. Schwangerschaftsausbrüche! Immer mehr und mehr Kinderproduzenten von Kinderkonsumenten! Ein Tsunami an der Küste der Kindschaftsanwärter. Die Seelenhalle wird in einem Zug leergetrunken. Und doch nur schönste demokratische Propaganda. Die einzige Geburt, die sich dabei vergrößert ist die des Familienreports der Familienministerin, die ihre Kopfgeburtenrate, den Wechselbalg für die Massen als Erfolgsstory verbuchen und verbreiten lässt. 0.745%? Kein Wort zur natürlichen Schwankungsbreite. Powerplay in RadiofunkTVprint. Ein weiteres reaktionäres Dramolett im Angesicht viel weitreichenderer Propagandawogen. Hier scheinen sich Weltwirtschaftskrise und Nachwuchsbrutkontrolle gegenseitig hochzukitzeln. In beiden Bereichen hat die Psychologie der Statistiken Hochkonjunktur, nicht “harte” Fakten. Leute werden nicht entlassen, weil kein Geld mehr vorhanden ist, sondern weil es in einer Stimmung der Existenzangst ohne große Gegenfragen und Blicke in positive Bilanzen oder Rücklagen leicht durchzubringen ist. 0.745% Kinder werden nicht zusätzlich geboren, weil sich mögliche Eltern gesellschaftlich um 0.745% besser aufgehoben fühlen. Büros und langjährige Mitarbeiterstäbe werden nicht aus dem Unternehmenszaun entfernt, weil sich die Firmen keine Umfriedungen mehr leisten können, sondern, weil sie ihre Bilanzen tunen, sich sanieren, andere übernehmen, noch mehr Geld verdienen wollen, und sich von unliebsamen Ballast endlich entschuldigungsfrei trennen können. Als notwendige Sparmassnahmen getarnt ahmen sich erstarrende Firmen gegenüber der Belegschaft gegenseitig nach und scheinen nur ihre gebrandete Haut retten zu wollen. Es geht um die Wurst. Aber dabei sitzen wir mitten im vollgestopften Fleischerladen.”Sparen”, was für ein totgeschlagenes Wort bei den hunderten Milliarden an Steuergeldern, die den Verursachern dieser grassierenden Kaninchenstarre in den Hals gesteckt wird. Die Politik der Angst, durch ausgesuchte Zahlen und Beispiele monströs, unaufhaltbar und uneinschätzbar gehalten, wird zum grössten grotesken Volksaderlass aller Zeiten inszeniert. Die instrumentalisierten Massen werden bei Entlassungswellen der kommenden Monate scheinbar nichts anders übrig bleiben, als an die Katastrophe zu glauben, und alle Werte, einschliesslich der eigenen als unwiederbringlich verloren, vaporisiert und schicksalshaft weggezaubert anzusehen und die Schrecken der Statistiken mit offenen Mündern zu verfolgen. Sie werden ausgeweidet dastehen, triefend vor Blut und sich freuen müssen, am Leben geblieben zu sein. Stattdessen hat haben Kapital und Eigentum nur den Besitzer gewechselt. Verbrannt worden ist nur die Hoffnung auf nachhaltiges Vermögen der Mittelklasse. Dieser Melkkuh wird gerade das Mark aus den Knochen gesaugt. Dass sie deshalb auch gleich mehr Nachwuchs produzieren soll, versteht sich von selbst. Und wieder etwas aufbauen, etwas ansparen, das die nächsten Ernte noch reichhaltiger werde als diese. 0.745% Rendite wird Aasgeiern des Familienglücks zu wenig sein – also soll der Mittelstand mehr Kinder kriegen und gerade in der Depression säen. Auf, auf, damit sich die nächste Konjunktur auch ordentlich auszahlt… 

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,607676,00.html